Hygge klingt nach Kerzenschein und kuscheligen Momenten, doch die viel gerühmte dänische Gemütlichkeit beschreibt noch mehr: einen ganz auf Entschleunigung und Entspannung ausgerichteten Lebensstil.
VON EVELYN BEYER
Auf dem hellen Sofa stapeln sich weiche Kissen, der Kaminofen verströmt kuschelige Wärme, der Tee duftet aus schlichten, formschönen Tassen, Holzleuchten verbreiten warmes Licht, die Fenstervorhänge fließen sanft zu Boden. Und auf einer antiken Kommode schweben anmutige Blütenzweige in Glasvasen. Wenn das nicht Hygge ist!
Der Begriff ist en vogue, besonders im Herbst und Winter. Vom Teppich bis zur Bettwäsche nennen sich viele Produkte hyggelig, die mit Gemütlichkeit und Genuss zu tun haben. Ursprünglich kommt das Wort aus dem Norwegischen und bedeutet Wohlbefinden, doch Ende des 18. Jahrhunderts kaperten es die Dänen. Hygge wurde zum dänischen Lebensmotto und hat viel dazu beigetragen, dass das Land in Umfragen stets auf einen der obersten Plätze unter den glücklichsten Ländern der Erde gelangt. Hygge klingt nach viel, viel Kerzenschein, nach ausgiebigem Essen im Freundeskreis, nach einer guten Zeit mit Spaziergängen in der Natur und Entspannung im gemütlich eingerichteten Heim. Skandinavische Lebensart pur.
Die kuscheligen Kissen und der warme Kerzenschein des Hygge-Stils sind die sichtbaren Zeichen einer grundlegenden Ausrichtung auf Entschleunigung, Entspannung, Geborgenheit und Gelassenheit. Hygge steht auch für Zufriedenheit im Hier und Jetzt, für eine innere Ruhe, aus der heraus sich das Leben genießen lässt, für die kleinen Freuden des Alltags sowie für Selbstachtsamkeit und persönliches Wohlbefinden.
Ein behagliches Zuhause
Dazu gehört natürlich auch ein behagliches Zuhause, das mehr auf gemütlichen Komfort als aufs Repräsentieren und Etikette setzt, mit Möbeln und Textilien aus natürlichen Materialien in harmonisch aufeinander abgestimmten Farben. Wohnlich soll die Einrichtung sein. Grünpflanzen, Blumen und Bilder setzen lebendige Akzente. Auch das Zubereiten der Mahlzeiten in einer gut geplanten Küche mit schönen Utensilien gehört dazu; sich Zeit fürs Kochen und fürs gemeinsame Essen in einer angenehmer Umgebung zu nehmen, heißt bewusst und entschleunigt zu genießen. Sanfte Musik, warmes, dimmbares Licht, hübsches Geschirr und Tischwäsche sorgen für die nötige Portion Hygge. Dabei ist Hygge nie steif und aufgesetzt, sondern lässig und entspannt.
Wohlgefühl und Verbundenheit
Bei Hygge geht es nicht um eine „neue Spießigkeit“, schreibt dazu der Frankfurter Thinktank Zukunftsinstitut, sondern um „einen aufgeklärten, gestalterischen Umgang mit Dingen, Menschen, Situationen“. Nach dem Cocooning zuvor, also dem abgrenzenden Rückzug ins Private, gehe es jetzt darum, sich miteinander zu verbinden und zu kommunizieren. Hygge handele sowohl von gestalterischer als auch von sozialer Wärme, von einem positiven persönlichen Umfeld mit Wertschätzung für Menschen und einem bewussten Umgang mit Hobbys und Dingen. Alles zusammen birgt viele kleine Glücksmomente an jedem Tag und zu jeder Jahreszeit – Hygge eben.